05.10.2013

Wurzeln, aus denen wir leben

Es heißt, dass das Wesentliche für unsere Augen unsichtbar sei. Das trifft sicher auch auf unsere kulturellen und geistigen Wurzeln zu. Denn auch die sehen wir nicht und dennoch sind sie für unser Leben wesentlich. Für einen entschiedenen Christen ist die Würde des Menschen vom ersten bis zum letzten Herzschlag eine moralische Richtschnur seines Handelns, ein Prinzip, bei dem es keine Kompromisse geben kann.

„Die tätige Nächstenliebe ist das schönste Gebet."
Fritz Rinnhofer (*1939), Publizist

In der Geschichte des christlichen Abendlandes führte dieses Denken dazu, dass Krankenhäuser gebaut wurden und viele soziale Einrichtungen entstanden. Eine Grundhaltung der Gesellschaft, die bis in unsere Zeit herauf Gültigkeit hat und anerkannt ist. Möglich ist das allerdings nur, weil dem Menschen nach christlichem Verständnis nicht nur ein Preis zukommt, wie das in vielen gesellschaftlichen Berechnungen heute der Fall ist, sondern ein Wert. Deshalb ist für Christen auch krankes, leidendes, behindertes und nicht zuletzt ungeborenes Leben wertvoll und besitzt eine unantastbare Menschenwürde.

Wie tief dieser Wert des Menschen nicht nur im Denken einzelner Christen sondern auch in der Gesellschaft als Ganzes noch immer verankert ist, sehen wir daran, dass dieser Grundsatz auch heute als Grundlage der Gesetzgebung gilt. Echter christlicher Glaube ist aber auch vom Gedanken der Vergebung und des Neuanfangs geprägt. Jesus Christus entließ Menschen, nachdem er ihnen geholfen hatte, oft mit den Worten: „Geh hin und sündige hinfort nicht mehr!" (Siehe Joh. 8,11.) Mit anderen Worten: Was du getan hast, hatte Folgen. Von diesen habe ich dich befreit und geheilt; doch jetzt geh hin und achte darauf, dein Verhalten zu ändern.

„Seine Krankheit zu erkennnen, ist der erste Weg zur Heilung."
Seneca (4 v. Chr. - 65 n. Chr.), römischer Politiker, Philosoph und Schriftsteller

Seit Jesus müssen wir nicht mehr an unserem täglichen Scheitern verzweifeln. Denn Gott vergibt, wenn wir zu ihm kommen. Er heilt uns und sagt: Jetzt achte auf dein Verhalten, damit es dir nicht wieder gleich ergeht. Dieses Verzeihen und die Versöhnung gehören zu den christlichen Wurzeln, die für uns alle bis heute von entscheidender Bedeutung sind. Auch das, was wir heute als das soziale Netz kennen, von dem wir alle profitieren, basiert letztlich auf dem christlichen Prinzip, dass jeder Mensch wertvoll ist, von Gott gewollt und geliebt. Das gilt grundsätzlich für alle Menschen – ohne Ansehen von Rasse, Geschlecht, Herkunft und sozialer Stellung. Wer für eine gewisse Zeit oder den Rest seines Lebens nicht für sich selbst sorgen kann, wird von der Gemeinschaft getragen. Das Angebot der Liebe Gottes allerdings, das auch hinter dem Gebot der Nächstenliebe steht, wird vor allem für die wirksam, die das Angebot Jesu von der Vergebung annehmen und dann danach leben.

„Der Glaube hat als alles durchdringende, einigende, steigernde Kraft die Geschichte des Abendlandes bewirkt, diesem seine Gestalt und seinen Inhalt gegeben."
Reinhold Schneider (1903 -1958),
deutscher Schriftsteller

Wenn die Länder Europas sich nun immer weiter von diesen christlichen Prinzipien entfernen und sich nicht-christlichen Einflüssen aussetzen, wird vieles von dem, was wir heute noch als selbstverständlich ansehen, morgen nicht mehr gelten. Eine Entfernung von den christlichen Wurzeln bedeutet jedenfalls nicht die Befreiung von überholten Zwängen, wie das so viele Menschen heute glauben, sondern bringt Unfreiheit, Aberglauben und Durchsetzung der Macht des Stärkeren mit sich. Das jedoch sind letztlich die besten Voraussetzungen für nächste Formen eines Totalitarismus, wie er in der jüngsten Geschichte im Kommunismus oder Faschismus bereits mehrfach Millionen von Menschen Leid und Not gebracht hatte. Der Glaube an Gott und seine Gebote hingegen führt zur Freiheit des Menschen! Das mag vordergründig als Widerspruch erscheinen, wird in unserer Zeit aber von immer mehr Denkern bestätigt. Es ist wie in Fragen der Erziehung. Auch da glaubte man, die große Freiheit führe in die Zukunft. Inzwischen kommen immer mehr führende Pädagogen zu der Einsicht, dass Regeln und Grenzen sein müssen. Und auch Soziologen bestätigen uns, dass Normen und Regeln für den Fortbestand der Gesellschaft notwendig sind. Dennoch wird es in Zukunft so sein, dass christliche Prinzipien nur noch da eine Chance haben und gesellschaftliche Bedeutung erlangen, wo entschiedene Christen dafür einstehen. Das freilich können nur Christen sein, die um ihren Wert wissen und aus den christlichen Wurzeln heraus leben und handeln, nicht nur innerhalb ihrer Kirche oder Gemeinde, sondern auch in Wirtschaft und Gesellschaft. Wer das praktiziert, weiß, dass es nur in Übereinstimmung mit dem himmlischen Vater gelingt, der die Kraft dazu gibt.

„Sich dem Fernsehen zu verweigern, bietet die Chance, sich dem Totalitarismus des Mittelmaßes zu entziehen."
Peter Cerwenka (*1942),
Professor für Verkehrswissenschaften

'Entleertes' Christsein oder Wellness-Religiosität, wie wir sie heute oft erleben, die das Versagen und die Schuld des Menschen, aber auch Jesu stellvertretenden Tod am Kreuz für uns Menschen verschweigt, wird da nur wenig bis gar nichts bringen. Das zeigt sich schon in der gegenwärtigen Entwicklung, die so rasant voranschreitet, dass Kinder und Jugendliche in Deutschland bereits heute schon nicht mehr wissen, warum wir Weihnachten oder Ostern feiern. Die Antworten, die Reporter bei entsprechenden Umfragen auf der Straße erhalten, sind so haarsträubend, dass einem Angst und Bange werden könnte. Dabei leben wir in unserer Gesellschaft noch immer aus diesen Wurzeln christlicher Prinzipien – bis heute. Wir sind dessen Nutznießer, ob uns das bewusst ist oder nicht. Christen wie Nicht-Christen profitieren davon. Deshalb täten wir alle gut daran, wenn wir anfingen, diese Zusammenhänge zu verstehen. Das ist wie bei den Wurzeln eines Baumes, der blüht und gedeiht: Wir sehen die Wurzeln nicht, dennoch sind sie für den Baum von größter Bedeutung. Wenn diese Wurzeln jedoch anfangen zu faulen oder in schlechtes Erdreich zu wachsen, wird der Baum nicht mehr lange Früchte tragen, am Ende vielleicht sogar absterben. Wer selbst einen Garten hat, weiß, wie schnell eine solche Entwicklung gehen kann. Im ersten Jahr sind die Blätter nicht mehr so schön, bald darauf sind es die Früchte und zuletzt stirbt der ganze Baum. Jeder kluge Gärtner oder Landwirt wartet nicht, bis es zu spät ist, sondern wird versuchen, die Zusammenhänge dieses langsamen Sterbens zu ergründen und – je nach Möglichkeit – etwas dagegen zu unternehmen.

„Gott will, dass allen Menschen geholfen werde und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen"
Die BIBEL, 1. Tim. 2,4

Genau das sollten auch wir heute tun, vor allem als Christen. Zuerst sollten wir uns darum bemühen, die Zusammenhänge zu verstehen und unsere christlichen Wurzeln kennen und schätzen zu lernen – gerade auch in ihrer Bedeutung für unseren Wert als Menschen, unseren Lebensstandard und unsere soziale Absicherung. Wer so handelt, wird gegen jede Form der Abtreibung ungeborener Kinder eintreten und in der Diskussion um Euthanasie eine klare Position für das Leben einnehmen. Sicher, alle diese großen Themen kennen immer ein Für und Wider, doch wer nicht an seinen christlichen Prinzipien festhält, der wird vom Zeitgeist mitgerissen – und der ist nun mal von einem ganz anderen Denken geprägt, als es uns in der Bibel begegnet. Das alles müssen wir wissen, wenn wir nicht unfreiwillig am Abbau und Niedergang christlicher Kultur mitwirken und letztlich auch mit dafür Verantwortung tragen möchten. Verantwortung tragen wir ohnehin; denn alles, wogegen wir nicht aufstehen, dem stimmen wir zu, auch wenn wir nicht aktiv daran beteiligt sind. Das ist leider so.

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