01.03.2018

Ist Leid der Weg zur Vertiefung des Lebens?

Eine der ersten Fragen, die wir uns stellen, die sich wahrscheinlich sehr viele Menschen stellen, ist: „Wie kann es einen guten Gott geben angesichts des Leids auf dieser Welt?“ Denn wenn Gott Liebe ist, wie wir es in der Bibel lesen, und er alle Macht besitzt, müsste er dann nicht auch verhindern, dass Menschen leiden? C. S. Lewis, der bedeutende englische Schriftsteller und Philosoph, gab einmal eine sehr einleuchtende Antwort auf diese Frage. Dabei ging er davon aus, dass es immer zuerst etwas Gutes geben muss, ehe es das Verdorbene geben kann. Wenn es also das Böse gibt, durch das viel von unserem Leid in diese Welt kommt, könne dieses Böse letztlich nichts anderes sein als das „verdorbene Gute“.

Ganz ähnlich sieht es auch Norman L. Geisler. „Dunkelheit“, so meint er, „ist nicht Nichts, sondern die Abwesenheit von Licht. Krankheit die Abwesenheit von Gesundheit und Tod die Abwesenheit von Leben.“ Fügen Menschen sich gegenseitig Leid zu, weil sie „verdorben“, „krank“ oder „verletzt“ sind? Ist die Welt nur deshalb ein Ort des Leidens, der Krankheit und Naturkatastrophen, weil sie eine „gefallene Welt“ ist, die der Schöpfer einmal als gut bezeichnen konnte, während sie nach dem Sündenfall zum Ort des Leidens, der Krankheit und des Todes wurde? Das könnte tatsächlich sein und würde uns von Ärzten und Psychologen wahrscheinlich bestätigt. Denn spätestens durch die Zerstörung der Umwelt merken wir ja selbst, wie sehr diese Entwicklung Einfluss ausübt und viel weiteres Leiden, Krankheiten und Tod mit sich bringt. Denken wir nur an die Erderwärmung, die darauf folgenden Katastrophen und das daraus resultierende Leid.

Aber wäre das bereits eine ausreichende Erklärung für das Leid auf dieser Welt? Wahrscheinlich nicht. Denn es gibt auch das Leid, das wir - gewollt oder ungewollt - uns selbst oder anderen zufügen - und das Gott tatsächlich zulässt. Warum? Warum greift Gott nicht zumindest da ein, wo Menschen, die zu ihm gehören, verfolgt, gequält und eingekerkert werden? Warum gebietet er nicht Einhalt, wenn verfolgte Christen von fanatisierten Islamisten hingerichtet werden, wie das erst vor kurzem wieder in den Kriegsgebieten wie Syrien oder dem Irak der Fall war? Wie kann Gott zu all diesem himmelschreienden Unrecht schweigen, wo es doch in seiner Macht gelegen hätte, einzugreifen und all das Elend zu verhindern? Sicher ist: Gott greift gewiss ein und verhindert sehr oft tatsächlich solche Greuel, wovon wir vielleicht nur nicht wissen. Aber warum rettet er seine Kinder nicht aus all diesen Nöten? Selbst die Bibel ist voll von Beispielen, wo Gott nicht sofort eingreift. Zwar lesen wir in der Bibel von vielen Menschen, die Gottes Hilfe erfahren - aber oft auch erst, nachdem sie viele Prüfungen bestanden haben.

„Die ewige Verdammnis ist kein bloßer Wahn, sondern eine Realität.“
Heinrich Heine (1797-1856)

Das wirft natürlich die Frage auf, ob hinter diesen Prüfungen und dem damit verbundenen Leiden nicht doch vielleicht ein ganz besonderer Sinn zu finden ist. Selbst wenn es Leid geben sollte, hinter dem wir vordergründig überhaupt keinen Sinn zu erkennen vermögen, können wir dennoch annehmen, dass Gott auch hier einen Sinn verborgen hält. Vielleicht erkennen wir ihn nur noch nicht, aber er wird uns später einmal klar vor Augen stehen. Wie oft haben wir in unserem Leben nicht schon die Erfahrung gemacht, dass uns eine Krankheit, ein Leid oder eine Verzögerung zuerst völlig falsch und sinnlos erschien, während wir sie Jahre später als genau richtig empfanden.

Leiden als Vertiefung unseres Lebens

In einem Lied unserer Tage heißt es: „Wenn der Weg deines Lebens in Dunkelheit liegt und die Angst vor dem Morgen dich quält ...“ . Wer solches schon einmal erlebt hat oder gerade erlebt, weiß, was einem da alles für Gedanken durch den Kopf gehen können und wie die Angst die Wirklichkeit verzerrt. Allerdings gibt es aber gerade in solchen Situationen immer wieder die Erfahrung, dass Menschen z. B. die heilende und helfende Kraft aus Gottes Wort, der Bibel, erleben, kaum dass sie im Leid darauf zurückgreifen und sich Trost daraus holen. Auch im ERF berichten uns Menschen immer wieder davon, dass sie in solchen Zeiten ganz deutlich den Eindruck hatten, dass das, was sie vielleicht gerade in der Bibel gelesen oder in einer christliche Radiosendung gehört hatten, nur für sie geschrieben oder gesprochen war. Und dass Gott ganz direkt durch diese Worte der Bibel zu ihnen geredet hat. Wer das in seinem Leben schon einmal erlebt hat, wird verstehen, was es bedeutet. Vielleicht hätte dieser Mensch diese wichtige Erfahrung nie in seinem Leben gemacht, wenn Gott nicht das Leid, das ihn dazu geführt hat, nicht zugelassen hätte.

„Die Zeit ist erfüllt, und das Reich Gottes ist nahe herbeigekommen. Tut Buße und glaubt an das Evangelium!“
Worte Jesu aus der BIBEL, Markus 1,15

Darin liegt bereits ein Sinn des Leides, dass wir beginnen, Gott zu suchen, was wir ohne das Leiden vielleicht nie tun würden. Wenn wir dadurch auch noch ganz erstaunliche Erfahrungen mit Gott machen, was häufig genug der Fall ist, dann können wir auch verstehen, wie wichtig diese Zeit des Leidens in unserem Leben sein kann. Wenn ein Mensch daraufhin sagen kann: „Ja, Vater, du hast mich lieb. Ich verstehe dich im Moment zwar nicht, aber ich vertraue dir!“, liegt darin ein weiterer starker Sinn des Leidens. Nämlich dass wir dadurch lernen, Gott zu vertrauen und unsere ganze Hoffnung auf ihn zu setzen, der von sich sagt, dass er treu und gerecht ist und niemanden zu Schanden werden lässt, der zu ihm gehört und sich auf ihn verlässt. Wer zu einem solchen Vertrauen auf Gottes Wort vordringt, wird merken, welch eine Kraft und welch ein Trost davon ausgeht. Wann aber würden wir es von uns aus wagen und dieses Vertrauen einüben? Wahrscheinlich nie.

Erst wenn wir durch Leid, Krankheit oder Not von Gott dahin geführt werden, fangen wir häufig damit an, uns auf dieses Vertrauen einzulassen und es gleichzeitig einzuüben. Bis wir schließlich erleben, welch eine außergewöhnliche Kraft und Gewissheit darin liegt. Wir müssen das alles zuerst selbst erfahren, bevor wir es wirklich glauben können. Denn ohne eigene Erfahrung sind wir wie jene, die zwar davon reden, letztlich aber selbst nicht viel davon wissen. Erst wenn wir durch Krankheit und Leiden gehen und durch die Überwindung dessen Gottes Kraft am eigenen Leib erleben, wissen wir auch, was es heißt, Gott in seiner Kraft und Weisheit zu erleben. Diese Erfahrung verhilft uns zu einer Vertiefung unseres Lebens, wie sie andere vielleicht nie erfahren werden. Denn zu wissen, dass Jesus immer und überall, auch im tiefsten Leid, bei uns ist, das ist eine Erfahrung, die für jeden Menschen wertvoll ist. Das gilt erst recht dann, wenn wir erleben, dass Jesus der Herr über jede nur denkbare Situation bleibt. Das alles ist für jeden von uns von unschätzbarem Wert. Ganz zu schweigen davon, dass wir mit dieser Erfahrung auch anderen Menschen in ähnlichen Lebenssituationen eine große Hilfe sein können, die sie vielleicht noch dringender brauchen, als wir selbst.

„Die mit Tränen säen, werden mit Jubel ernten.“
Die BIBEL, Psalm 126,5a

Wenn Leid in unser Leben kommt

Wer Leid, das ihm begegnet, ablehnt, verdrängt oder verschweigt, gerät früher oder später mit sich selbst in Konflikt. Wer es aber zuerst einmal annimmt, bekommt dadurch die Chance, es zu verarbeiten und daraus ganz neue, wertvolle Erfahrungen zu schöpfen. Darin liegt ein großes Geheimnis. Wer nie etwas davon erfahren hat, schüttelt jetzt vielleicht den Kopf. Erst wenn jemand selbst in diese Lage kommt und erlebt, wie über die Annahme des Leides ein neues Tor aufgeht, fängt er an zu begreifen, was es heißt, dass Leiden tatsächlich der Weg zu einer Vertiefung des Lebens sein kann.

 

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