01.01.2021

Europa – ohne Gott?

Die Kirchen leiden heute unter massivem Mitgliederschwund. Die Frage ist, was wird aus Europa, wenn die Europäer bald nicht mehr wissen, was ihre Fundamente sind und was die Kreuze auf den Berggipfeln bedeuten? Wenn christliche Feiertage wie Weihnachten und Ostern für den Großteil der Menschen keine besondere Bedeutung mehr haben.

Natürlich muss man sich fragen, warum die Zahl der Mitglieder in den Kirchen schrumpft. Ist es, weil Frauen in der katholischen Kirche nicht zur Priesterin geweiht werden oder wegen des Zölibats? Wegen des sexuellen Missbrauchs an Minderjährigen durch Priester, der zu einem starken Verlust an Vertrauen geführt hat? Was ist es?

Ich fürchte, dass alle das nicht das zentrale Problem der Kirche in Mitteleuropa ist. Das zentrale Problem scheint vielmehr darin zu liegen, dass Gott vielerorts gar nicht mehr „gebraucht“ wird, dass er im Leben der Menschen nicht mehr vorkommt und dass so viele „Christen“ einfach nicht wissen, worum es geht, weil sie die Bibel nicht lesen und niemand da ist, der sie ihnen erklärt. Deshalb sprechen einige bereits von einer Art „Gottesfinsternis“.

Doch wir müssen uns fragen, ob dieses Verblassen der Religion und des Glaubens an den Gott der Bibel nicht notgedrungen zu einer grundlegenden Veränderung der Menschen in ihren gesellschaftlichen und politischen Ansichten wird.
Das europäische Menschenbild und die Gesellschaftsordnungen Europas sind von Judentum und Christentum geprägt worden.  Darauf beruht auch der globale Erfolg Europas.

Wer also diese beiden Fundamente zerstört, zerstört gleichzeitig die Grundfesten Europas. Wenn einmal die Kreuze auf Kirchtürmen, in den Schulen, an den Straßenrändern und auf Berggipfeln verschwinden, weil keiner mehr daran interessiert ist und weiß, was sie bedeuten, was wird dann aus Europa?
In Schule und Universität sollten junge Menschen lernen, dass das europäische Menschenbild mit Menschenwürde und -rechten auf das Christentum und die Aufklärung zurückzuführen ist. Unzählige Meisterwerke der Literatur, der Musik und Baukunst sind ohne das Christentum nicht denkbar.

Europa ist heute von innen bedroht: von seinem Werterelativismus, seinem mangelnden Konsens im Umgang mit Migrationsbewegungen, aber vor allem von seinen Selbstzweifeln. Ist Europas Vitalität erschöpft? 1900 war noch ein rundes Drittel der Weltbevölkerung europäisch-stämmig (rund 550 Millionen von 1,6 Milliarden), heute sind es noch 12 Prozent, im Jahre 2050 wird der Anteil voraussichtlich bei nur noch 6 Prozent liegen. Angesichts dieser Entwicklung gilt es, darüber nachzudenken, wie dieser Prozess noch aufzuhalten wäre.

Europäischer Geist zeigt sich in einem äußerst fruchtbaren Zusammenspiel von Judentum, griechisch-römischer Antike und Christentum. Jerusalem, Athen und Rom – vor dem Hintergrund dieser drei Städte hat sich in mehr als 2000 Jahren Geschichte das typisch „europäische“ Denken und Handeln herauskristallisiert. Wobei der fundamentale Wertekatalog bis in unsere Zeit hinein eindeutig aus dem Christentum stammt. Doch die Staats- und Regierungschefs der EU-Länder hatten ein Problem mit Gott. Im „Vertrag von Lissabon“ aus dem Jahr 2007, der 2009 in Kraft trat, ist kein Gottesbezug mehr zu finden. Stattdessen wird nur noch auf das „kulturelle, religiöse und humanistische Erbe Europas“ Bezug genommen.

Der große russische Dichter der Weltliteratur Fjodor Michailowitsch Dostojewski sagte treffend: „Ist Gott erst tot, dann ist alles erlaubt.“ Novalis, der bekannte deutsche Dichter aus dem ausgehenden 18. Jahrhundert schreibt in seinem Werk  Die Christenheit oder Europa: „Wo keine Götter sind, walten Gespenster“. Das wurde auch 2010 deutlich, als ein EU-Kalender überall an den Schulen verteilt wurde, in dem sämtliche christlichen Feiertage fehlten. Christliche Weihnachtslieder sind an vielen Schulen ohnehin schon länger nicht mehr erwünscht, ganz zu Schweigen von allen anderen christlichen Bräuchen des Kirchenjahres.

Was hingegen um sich greift, sind Kinderehen und Genitalverstümmelung, die in Europa – man höre und staune – noch immer geduldet werden. Eine Studie des deutschen Bundesfamilienministeriums aus dem Jahr 2017 kommt auf 47.000 junge Frauen und Mädchen, die Opfer von Genitalverstümmelung wurden. Die Zahl steigt seither von Jahr zu Jahr sprunghaft an. Wo bleibt der Aufschrei gegen dieses kolossale Unrecht? Wo sind die europäischen Werte, die hier verteidigt werden sollten? Sind Frauen auch bei uns der Willkür solcher islamischen Traditionen und Foltermethoden ohne staatlichen Schutz ausgesetzt?

Der Isalm – das dürfen wir nie vergessen – ist nicht nur eine Religion, sondern mit Koran und Scharia auch eine Rechts- und Gesellschaftsordnung. So gesehen wäre der Islam schon allein deshalb nicht vereinbar mit dem Grundgesetz. Hinzu kommt der Antisemitismus unter vielen Muslimen und das frauenverachtende Menschenbild, das den Islam prägt und das mit den europäischen Grundwerten unvereinbar ist.

Europäische Politiker werden nicht müde zu betonen, dass die Gräueltaten von Al Quaida und IS oder die Reihe der Attentate in Deutschland, Österreich und Frankreich nichts mit dem Islam zu tun haben. Das Gegenteil ist der Fall.  Diese fürchterlichen Taten sind sogar konsequent islamisch, schreibt Sabatina James in ihrem Buch „Scharia in Deutschland“ von 2015. Die gleiche Meinung vertreten auch viele andere namhafte islamische Schriftsteller.

Doch wir passen uns immer weiter diesem falschen Verständnis von Toleranz und Vielfalt an und geben unser eigenes Menschenbild immer mehr auf. Das Buch des französischen Schriftstellers Michel Houellebecq „Unterwerfung“ ist zu einem Bestseller geworden, aber hören wir auch darauf? Für viele ist die drohende Klimakatastrophe viel wichtiger.

Währenddessen gibt es ein Patchwork an Religionsversatzstücken und einen bunten Synkretismus, der alle Gegensätze vereint: Astrologie, Kosmologie, Reinkarnation, Zen, Buddhismus, Esoterik, magische und okkulte Praktiken. Ganz zu Schweigen vom Gender Mainstreaming. Warum das alles? Weil der Mensch Religion braucht. 1989 verkündete Francis Fukuyama das Ende der Geschichte, und er meinte, dass jetzt die liberale Ordnung gesiegt habe, weil sich alle Ideologien erschöpft hätten. Aber Fukuyama lag falsch. Denn auf der ganzen Welt erleben Religionen seither eine unglaubliche Renaissance. In Europa allerdings nur in der Form von ersatzreligiösem Getue, das sich aus allem etwas herausgreift, egal wie stumpfsinnig es auch sein mag.

Europa ist gefährdet. Doch das wollen viele nicht wahrhaben. Samuel P. Huntington, der weltweit bekannt gewordene Buchautor und Verfasser des 1996 veröffentlichten Buches „The clash of civilizations“ („Der Kampf der Kulturen“) verweist in seinem vielbeachteten Werk auf die „innere Fäulnis“ des Westens. Geburtenrückgang, Überalterung, Zunahme der Asozialität, Auflösung der Familienbande, Schwinden der Autorität von Institutionen, Hedonismus und Rückgang des Sozialkapitals, d. h. der Mitgliedschaften in Vereinen, gleichzeitig ein zunehmender Egoismus und abnehmendes Interesse an Bildung sind Zeichen dafür.
Papst Benedikt XVI. sagte im Jahr 2000: „Europa scheint in der Stunde seines äußersten Erfolgs von innen her leer geworden. Es gibt eine seltsame Unlust an der Zukunft. Kinder, die ja die Zukunft sind, werden als Bedrohung der Gegenwart gesehen. Sie werden als Grenze der Gegenwart gesehen.“

Es kann gut sein, dass es die Herausforderung des Islams braucht, um die inneren Kräfte Europas wieder zu sammeln. Doch auch diese Sammlung muss rechtzeitig erfolgen. Denn wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Wir kennen dieses Zitat und wissen, was daraus wurde.

 

 

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