01.10.2008

„Es ist nicht gut, dass der Mensch allein ist.“

Jeder Mensch will irgendwo dazugehören. Schon als Baby sucht er die Nähe zu der Mutter, den Eltern, der Familie. Dieses Sicherheitsbedürfnis verändert sich zwar mit dem Älterwerden, im Grunde genommen bleibt es jedoch das ganze Leben lang. Manche Menschen suchen ihre Zugehörigkeit bei einer Gruppe, andere in einer Gemeinde oder an ihrem Arbeitsplatz. Aber mehr noch als diese losen Beziehungen können uns enge Freundschaften zwischen zwei oder mehreren Menschen ein Gefühl der Sicherheit und Zugehörigkeit geben.

Warum ist diese Zugehörigkeit so wichtig für uns Menschen?

Zugehörigkeit ist in erster Linie deshalb wichtig, weil sie uns Geborgenheit, Sicherheit und Lebenskraft vermittelt. Selbst wenn eine Beziehung gleichzeitig auch Probleme und Herausforderungen mit sich bringt und nicht selten durchaus anstrengend sein kann.

Schon allein deshalb ist es gut, wenn wir Sicherheit nicht nur in unseren Beziehungen suchen, sondern sie auch in uns selbst tragen. Denn wer mit einem gesunden Selbstbewusstsein gesegnet ist und in einer befreiten Beziehung zu Gott lebt, der kann vieles andere mit wesentlich größerer Gelassenheit angehen.

Nähe und Distanz

Eines der schwierigsten Themen in Beziehungen ist das unterschiedliche Bedürfnis nach Nähe oder Distanz. Während manche immer wieder Zeiten und Orte zum inneren Rückzug brauchen, würden andere am liebsten ihre ganze Zeit mit anderen Menschen verbringen. Viele haben aber auch ein gestörtes Verhältnis zu Nähe und Distanz. Sie “klammern” ihre Freunde oder auch den Partner, ohne ihr Bedürfnis nach Nähe wirklich stillen zu können.

Wie aber entsteht Nähe?

In erster Linie durch Wahrnehmung. Indem wir uns für die Ängste, Gefühle und Sorgen des anderen öffnen und sie “wahrnehmen”, schaffen wir Nähe. In der Regel geschieht das durch Gespräch. Dafür allerdings braucht es Zeit, die wir miteinander verbringen müssen. Ehepaare können sich auf diesem Weg manchmal besonders nahe kommen, wenn sie ehrlich zueinander sind. Wer allerdings in seiner Kindheit wie auch später wenig Wertschätzung erfahren hat, der fühlt sich oft minderwertig, einsam und zutiefst verunsichert. Ein solcher Mensch ist umso mehr auf Beziehungen angewiesen. Denn wir alle brauchen Aufmerksamkeit für das, was wir denken, tun oder erleben, und wer in seiner Kindheit auf diesem Gebiet zu kurz gekommen ist, wird dieses Bedürfnis als Erwachsener zu stillen suchen.

Wer sich seinen Defiziten nicht stellt, überfordert die Menschen, die mit ihm leben

Eine alte Regel lautet, dass wir unsere dunklen Seiten niemals verleugnen dürfen, weil wir sie sonst bei anderen – meist uns nahe stehenden – Menschen bekämpfen. In diesem Fall bekommt der Beziehungspartner dann zu spüren, was wir selbst eigentlich “aufzuräumen” und zu verarbeiten hätten. Solche Verhaltensweisen überfordern sehr oft eine Beziehung und bringen Menschen auseinander, sei es in Ehen oder in anderen Beziehungen.

Als Menschen sind wir alle auf irgendeine Weise geprägt worden

Ob es die Einstellung unserer Herkunftsfamilie zum Geld war oder zu einem Studium oder zur Arbeit; all das ist nicht spurlos an uns vorbei gegangen. So gibt es Menschen, die sind geradezu auf etwas “programmiert”. Der eine kann vielleicht keine Entscheidungen treffen, der andere kennt nur das oberflächliche Gespräch. Ein dritter sucht immer wieder Streit, weil das seine Form der Kommunikation ist. Es gibt viele verschiedene Prägungen. Unsere Aufgabe ist es, uns diesen Geistern der Vergangenheit zu stellen, damit wir fit werden für gute Beziehungen. Denn immerhin ist es so, dass die guten Erfahrungen uns ebenso prägen und uns auch in unserem bisherigen Leben schon geprägt haben. Vielleicht waren sie sogar so gut, dass wir dadurch “beziehungsfähig” wurden. Das wäre dann ein Glücksfall. Was aber noch nicht ist, kann werden, wenn wir daran arbeiten. Dazu gibt es Bücher, die Ihnen eine Hilfe dazu sein können. Generell ist es so, dass jeder, der ein geringes Selbstwertgefühl besitzt, immer in Gefahr steht, zuviel vom anderen zu erwarten. Menschen mit perfektionistischen Charakterzügen entwickeln ähnliche Beziehungsproblematiken. Manchmal verscheuchen sie andere geradezu, nur weil ihnen nichts und niemand gut genug ist. Hier gilt; wer sich selbst akzeptiert, kann auch andere akzeptieren. Wer sich selbst nicht akzeptieren kann, macht es in der Regel auch anderen schwer. Verliebte sehnen sich oft nach nichts anderem, als viel Zeit miteinander verbringen zu können. Das ist verständlich und nachvollziehbar. Wenn es allerdings so weit geht, dass ein “Egoismus zu zweit” daraus entsteht, ist es besser, für einige Zeit Abstand zu halten. Das nämlich bewahrt davor, sich nur noch um sich selbst zu drehen.

Im Zeitalter der Kommunikation dennoch einsam

Es klingt unglaublich, doch obwohl wir im Zeitalter der Kommunikation leben, fühlen sich dennoch immer mehr Menschen einsam. Einsamkeit ist zur Geisel unserer Zeit geworden. Vielleicht haben auch Sie sich schon einmal mitten in einer Menschenmenge einsam und verlassen gefühlt. Jemand sagte neulich: “Wenn es eine Insel der Einsamen gäbe, dann wäre das die größte Insel der Welt.” Wenn das stimmt, weist der Fortschritt, auf den wir mit Recht stolz sein können, allerdings eine erschreckende Bilanz auf. Diese Einsamkeit hat heute viele Gesichter und ebenso viele Ursachen. Es gibt gesellschaftliche wie auch individuelle Gründe. Den einen treiben vielleicht überhöhte Ansprüche der Gesellschaft in die Isolation, den anderen seine Selbstzweifel, seine Scham oder seine Trauer über den Tod eines geliebten Menschen.

Es gibt aber auch selbstver­schuldete Einsamkeit.

“Im Grunde meines Herzens, tief in mir drin, tut etwas fürchterlich weh. Es ist so eine Einsamkeit in der Tiefe meines Seins, verbunden mit der Frage: ‘Ist das das Leben? Mit diesen Worten bringt eine erfolgreiche vierzigjährige Geschäftsfrau ihre Einsamkeit zum Ausdruck. Doch gerade hier stellt sich die Frage nach dem Warum. Denn um gemeinschaftsfähig zu sein, müssen wir alle auch immer wieder Korrekturen an uns zulassen. Vielleicht sind Veränderungen an unserem Charakter notwendig oder neue Einsichten im Bereich des Zusammenlebens. Denn wer stur immer nur das Seine durchsetzen will, kann sehr leicht einsam werden.

Vorübergehende Einsamkeit kennt jeder, meist wird sie auch schnell überwunden

Gefährlich und ungesund wird Einsamkeit erst dann, wenn sie chronisch wird. Davon ist zu sprechen, wenn ein Mensch über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren unter diesem Phänomen leidet. Chronisch einsame Menschen neigen oftmals zu der Überzeugung, dass sie an ihrem Zustand nichts ändern können und fügen sich resignierend ihrem Schicksal. In einer Zeit, wo Individualismus, Selbstverwirklichung und ein “Ich-tu-was-ich-will-Denken” immer mehr selbstverständlich werden, kommt es natürlich auch leichter zu Vereinsamung. Deshalb ist es gut, wenn wir uns früh genug die ehrliche Frage stellen, wie wir uns anderen Menschen gegenüber verhalten. Stellen Sie sich einmal folgende Fragen:

  • Reden Sie die Wahrheit miteinander?
  • Geben Sie ihre Bedürfnisse zu?
  • Wie sind Ihre Lebensgewohnheiten?
  • Welche Werte vertreten Sie, welche der andere?
  • Reden Sie regelmäßig miteinander?
  • Reden Sie auch über Probleme?
  • Können Sie zuhören?
  • Können Sie den anderen frei geben und positive wie auch negative Gefühle zulassen?

Solche und ähnlich Fragen sind sehr wichtig und wir sollten sie ehrlich beantworten. Leider gehen viele Menschen Konfrontationen aus dem Weg. Oft ist nach Trennungen deshalb zu beobachten, dass Menschen das Gefühl haben, sich gar nicht richtig kennengelernt zu haben. Viele Menschen leben zusammen – und sind sich dennoch fremd.

Beziehungen sind ein Grundbedürfnis des Menschen

Wir haben gesehen, dass es ein Grundbedürfnis des Menschen ist, in Beziehungen zu leben, ja dass sie geradezu lebensnotwendig sind. Einem Grundbedürfnis wie Essen und Schlafen kann keiner ausweichen. Im 12. Jahrhundert wollte Kaiser Barbarossa es genau wissen und ließ einige neugeborene Babys in einen Raum einsperren, wo sie nur gefüttert und gewickelt wurden. Die Pflegerinnen durften jedoch kein Wort zu den Babys sprechen und sie nicht anlächeln. Ein grausames Experiment, denn die Kinder starben alle innerhalb kurzer Zeit. Beziehungen gehören auch zu den Grundbestimmungen des Menschen.
“Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit all deinen Gedanken. Das ist das wichtigste und erste Gebot. Ebenso wichtig ist das zweite: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.” (Matthäus 22, 37-39) Diese Worte Jesu sprechen eindeutig davon, dass Gott selbst ein Gott der Beziehung ist und Beziehung zu uns Menschen will. Auf diese Beziehung hin hat er uns geschaffen und uns seinen Sohn auf diese Erde geschickt, um die Beziehung des Menschen zu ihm wieder möglich zu machen, nachdem der Mensch sich durch die Sünde aus dieser Beziehung gelöst hatte. Die Grundbestimmung des Menschen ist aufgrund dessen, was die Bibel uns sagt
neben dem Leben in der Welt, der Pflege und Verwaltung der Schöpfung und der Anerkennung Gottes – ein Leben in der Liebe, ein Leben in Beziehung. Der Mensch ist dazu bestimmt, Beziehung zu stiften und Beziehungen zu leben. Wir alle brauchen aber nicht nur Freunde, Familie und Partner, sondern sie brauchen wiederum auch uns. Das heißt, ich brauche andere und werde von ihnen gebraucht. Wo das nicht mehr der Fall ist, sind das Entwicklungen, die nicht gut sind. Doch wie gesagt, Beziehungsfähigkeit besitzen wir nicht alle in gleichem Maße und müssen wir uns immer wieder erarbeiten; deshalb ist es gut, wenn wir uns in unserem Leben rechtzeitig darum kümmern.

Wer bei Gott einkehrt, erfährt Geborgenheit

Die wichtigste aller Beziehungen eines Menschen, ist die zu Gott, seinem Schöpfer. Werner Penkazki sagte einmal: “Wer bei Gott einkehrt, der erfährt Geborgenheit." Wer unter mangelndem Selbst­wert, unter Zweifeln, Liebesunfähig­keit und Enttäuschungen leidet, dem können wir sagen: Es gibt eine Schutzzone, eine feste Burg, wo wir angstfrei neue Energie und Lebensfreude “tanken” können. Ein Ort, wo wir auch schwach sein dürfen, ohne verachtet zu werden. Gott macht uns das ent­sprechende Angebot. Seine Zusage in der Bibel lautet: “Fürchte dich nicht, denn ich bin bei dir; hab keine Angst, denn ich bin dein Gott! Ich mache dich stark, ich helfe dir, mit meiner siegrei­chen Hand beschütze ich dich!” (Jesaja 41, 10) Er bietet uns Gebor­genheit in der Ungeborgenheit und Heimat in der Heimatlosigkeit dieser Welt. Das allerdings geschieht nicht durch eine bloße Anerkennung Gottes, sondern nur durch eine Beziehung zu ihm. Jesus Christus hat durch sei­nen Tod am Kreuz und seine Auferste­hung den Weg frei gemacht. Seither steht uns dieser Weg offen. Doch wir müssen ihn gehen. Denn nur durch die Beziehung zu IHM erfahren wir, dass Gott größer und mächtiger ist als al­les, was uns Angst machen kann auf dieser Welt und in diesem Leben.

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